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2. Februar 2022

Wir stimmen ab: Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien

Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmt am 13. Februar über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien ab. Mit diesem Paket soll die Schweizer Medienlandschaft während sieben Jahren finanziell unterstützt werden. Welche Pro- und Contra-Argumente es gibt, seht ihr in der Diskussion mit Michael Töngi (Grüne) und Evelyn Motschi (Jungfreisinnige).

Weshalb braucht die Schweizer Medienlandschaft überhaupt finanzielle Unterstützung? Wie soll das Geld verwendet werden? Wer profitiert denn überhaupt? Discuss it beantwortet dir die wichtigsten Fragen rund um das Massnahmenpaket.

Massnahmenpaket: Wieso soll es notwendig sein?

Seit 2003 sind in der Schweiz über 70 Zeitungstitel verschwunden. Zum einen hat dies mit den stark gesunkenen Werbeeinnahmen zu tun, die in den letzten zwei Jahrzehnten regelrecht eingebrochen sind, zum anderen mit dem Strukturwandel der Medienlandschaft. Mittlerweile sind nämlich immer weniger Leser:innen dazu bereit, für den Inhalt der konsumierten Medien zu bezahlen. Dazu kommt, dass immer wie mehr Menschen keine Print-Medien mehr abonnieren, sondern ihre News online konsumieren und sich auf alternativen Plattformen wie Youtube, Twitter, Tiktok, etc. bewegen und informieren.

Wieviel und wofür soll das Geld gesprochen werden?

Die Schweizer Medienlandschaft soll pro Jahr maximal 151 Millionen Franken an finanzieller Unterstützung erhalten. Diese Geldspritze würde vorläufig für sieben Jahre bezahlt und danach für die meisten Bereiche wieder wegfallen. Unbefristete Unterstützung gäbe es für Lokalradios und regionale TV-Stationen, welche mehr Geld aus dem Topf der TV und Radio-Gebühren bekommen würden. Ebenfalls unbefristete  Unterstützung gäbe es für die journalistische Ausbildung an der Schweizerischen Journalismusschule MAZ, den Schweizerischen Presserat und die Nachrichtenagentur SDA. Die indirekte Presseförderung und die Unterstützung der Online-Medien unterläge jedoch der festgesetzten Förderungsmaximaldauer von sieben Jahren. Sowohl bei der Unterstützung der Online-Medien wie auch bei der indirekten Presseförderung wird das Prinzip der sogenannten Degression für die Verteilung angewendet. Das heisst, dass mit steigender Mediengrösse die finanzielle Unterstützung sinkt: Eine schweizweit gelesene und verbreitete Zeitung mit grösserer Auflage oder mehr Umsatz, wie beispielsweise die NZZ, würde verhältnismässig also weniger Geld bekommen als eine eher kleinere Regionalzeitung, wie zum Beispiel der Walliser Bote.

Mit der indirekten Presseförderung fliessen nicht etwa Gelder direkt vom Staat an die Medien, sondern sie profitieren von Ermässigungen, die der Bund ihnen ermöglicht. In der Schweiz besteht schon seit längerem eine Diskussion, ob man die Förderung der Schweizer Medienlandschaft durch eine Verankerung in der Bundesverfassung regeln soll, oder durch eine indirekte Presseförderung auf Gesetzesebene. 2004 scheiterte schliesslich die Option der Unterstützung auf Ebene der Bundesverfassung.
Die indirekte Presseförderung hat jedoch in der Schweiz eine lange Tradition. Seit 1849 – also quasi seit Beginn der Existenz der Schweiz als Staat – werden die Medien vom Staat finanziell unterstützt. Dies geschah und geschieht beispielsweise über ermässigte Postversandtarife: Der Bund übernimmt also einen Teil der Kosten, welche beim Versand der Zeitungen bei der Post anfallen würden und stellt diese den Zeitungsverlagen nicht in Rechnung. Mit dem vorliegenden Medienpaket soll diese bisherige indirekte Presseförderung von 50 Millionen auf 150 Millionen Franken ausgebaut werden. Neben dem Ausbau der Zustellungsermässigungen soll im Medienpaket neuerdings auch die Früh- und Sonntagszustellung finanzielle Unterstützung bekommen.

Wer profitiert von der finanziellen Unterstützung?

Ursprünglich hat der Bundesrat dem Parlament ein kleineres Medienpaket vorgeschlagen, das nur etwa halb so gross gewesen wäre. Es wurde jedoch vom Parlament ausgebaut und fand so zu seiner jetzigen Form, in der auch grössere Medien stärker von der finanziellen Unterstützung profitieren. Dies geschieht etwa durch einzelne geförderte Bereiche der indirekten Presseförderung, insbesondere durch die Finanzierung von Früh- und Sonntagszustellung. Mit dem Prinzip der Degression wird jedoch darauf geachtet, dass die kleinen Medien von dieser finanziellen Unterstützung verhältnismässig stärker profitieren als die grösseren. Die Investition in die Ausbildung von angehenden Journalist:innen kommt zudem der gesamten Schweizer Medienlandschaft zugute. Auch profitieren erstmals Online-Medien von der finanziellen Förderung des Bundes. Dies aber nur, wenn sie sich nicht vollständig durch Werbung finanzieren und wenn der redaktionelle Teil klar von demjenigen der Werbung getrennt ist. 20Minuten, das sich rein durch Werbung finanziert, wäre also von der Online-Förderung beispielsweise ausgeschlossen.

Was sagen die Gegner:innen?

Das Nein-Lager setzt sich aus einzelnen Mitte Politiker:innen, der FDP und der SVP zusammen. Ebenfalls gegen die Vorlage sind der Jungfreisinn, die JSVP und die Junge Mitte. Sie werden von bürgerlich geprägten Zeitungsverleger:innen und durch die ‹Freunde der Verfassung› unterstützt.
Die Gegner:innen stören sich unter anderem an der Verteilung der zusätzlichen Gelder. Evelyn Motschi (Jungfreisinnige ZH) sieht die Gelder in die Tasche der grossen Medien wandern: «Durch das neue Massnahmenpaket werden vor allem die grossen Medien gefördert und nicht etwa die kleineren Lokalmedien.» So besteht laut ihr das Risiko, dass man die Medienvielfalt nicht fördert, sondern ihr sogar schadet: «Wenn man die grossen Medienverlage fördert, dann könnten die kleineren von diesen aufgekauft werden.» Ein weiteres Risiko der staatlichen Finanzhilfe sieht Evelyn Motschi in der dadurch drohenden Abhängigkeit der Schweizer Medien gegenüber dem Staat. Zudem glaubt sie nicht, dass die befristete Unterstützung ausläuft, sondern nach sieben Jahren weiter verlängert wird.

Was sagen die Befürwortenden?

Auf der befürwortenden Seite stehen neben dem Bundesrat und der Mehrheit des Parlaments eine breite parteiübergreifende Allianz aus Politiker:innen der Mitte, wenigen FDP Politiker:innen, der GLP, der SP und den Grünen. Für die Vorlage sind auch die Jungparteien der drei letztgenannten Parteien, also die JGLP, die JUSO und die Jungen Grünen. Zudem erhält das Medienpaket Unterstützung von vielen Vertreter:innen der Medienbranche, vor allem von kleineren Medienhäusern.
Michael Töngi (Grüne LU) sieht in den stark gesunken Werbeeinnahmen die akute Gefahr, dass weitere Zeitungstitel verschwinden werden, und die Medienvielfalt darunter leidet. Daher sei eine finanzielle Unterstützung notwendig. Das Argument der Gegner:innen, dass vor allem die grossen Medien profitieren, lässt er nicht gelten: «In diesem Gesetz sind verschiedene Mechanismen eingebaut, sodass die kleineren Medien prozentual mehr Geld bekommen als die grossen.» Dass die Schweizer Medien gegenüber dem Staat nicht mehr unabhängig wären, weil sie staatliche finanzielle Unterstützung bekommen, glaubt Michael Töngi nicht: «Die indirekte Presseförderung existiert seit der Einführung unseres Bundesstaats, doch deswegen sind die Schweizer Medien nicht unkritischer gewesen.»

Was sagen der Bundesrat und das Parlament?

Der Bundesrat setzt sich für diese Vorlage ein und empfiehlt deren Annahme. Auch in den zwei Räten war die Zustimmung eingermassen deutlich. So stimmten im Nationalrat 115 Stimmen dafür und 75 dagegen. Im Ständerat sagten 28 Stimmen Ja und 10 Nein.

Und jetzt du!

Was denkt ihr? Muss die Schweizer Medienlandschaft staatlich unterstützt werden, um die Medienvielfalt zu sichern? Oder führt die Annahme der Vorlage zu einer Abhängigkeit und somit zu einer bedrohlichen Nähe zum Staat? Teilt uns mit, was ihr denkt und wie ihr am 13. Februar abstimmen werdet.

Erstellt von Manuel Bucher