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8. Juli 2020

Maskenpflicht im ÖV: Der steinige Weg zur Akzeptanz

Seit diesem Montag gilt im öffentlichen Verkehr die Maskenpflicht. Lange wurde über deren Nutzen diskutiert. Zu Beginn der Corona-Krise wurde von einer allgemeinen Pflicht zu Mund-Nasen-Schutz abgeraten. Nur wenige Wochen später war die Maske heiss begehrt, stieg nach den ersten Lockerungen zum probaten Utensil der Schutzkonzepte auf und ist nun durch die bundesrätliche Pflicht im Akzeptanz-Olymp angelangt.

Die ersten Tage mit der neu auferlegten Maskenpflicht sind zu Ende gegangen. Allem Anschein nach wird die neue Regelung von den meisten ÖV-Nutzer_innen eingehalten und befolgt. Das ungewohnte Bild von Menschenmassen, die alle Schutzmasken tragen, wird wohl für eine unbestimmte Zeit zu unserem Alltag gehören. Zumal die Maskentrageempfehlung in der breiten Bevölkerung zuvor auf eher taube Ohren stiess.

Der wachsende Druck liess den Bundesrat handeln

Der Bundesrat ist am 1. Juli vor die Medien getreten und hat die landesweite Massnahme für den öffentlichen Verkehr verkündet. Nachdem sich die Schweizer Bevölkerung durch die ausserordentliche Lage mit Freiheitseinschränkungen konfrontiert sah, kehrte man nach den schrittweisen Lockerungen sehr schnell wieder zur Normalität zurück. Grössere Menschenansammlungen waren wieder erlaubt; Restaurants, Bars, Clubs, Freizeitangebote konnten – unter Einhaltung der ausgearbeiteten Schutzkonzepte – wieder genutzt werden.

Die wiedergewonnene Freiheit führte nicht nur zu einer Social Distancing-Disziplineinbusse, sondern in der Folge auch zu steigenden Neuansteckungen. Nach scheinbar stabilen einstelligen Neuinfektionen überstiegen die täglich publizierten BAG-Zahlen zwischenzeitlich die 100er Grenze. Der Ruf seitens der Wissenschaft und einzelner Kantone nach einer Maskenpflicht wurde immer lauter. Obwohl der Bundesrat am 19. Juni die ausserordentliche Lage in eine sogenannte besondere Lage zurückstufte und so den Kantonen ihre verfassungsgemässen Zuständigkeiten einräumte, übernahm unsere siebenköpfige Exekutive erneut die Leitung und verhängte über alle Kantone das Maskenobligatorium im öffentlichen Verkehr. Ist der Bundesrat in der besonderen Lage zu einem solchen Schritt befugt?

Die Machtverhältnisse in der ausserordentlichen Lage vs. der besonderen Lage

Während der ausserordentlichen Lage darf die Exekutive selbständig Massnahmen beschliessen, die während der Krisen-Situation Gültigkeit haben. Der Vorteil hierbei ist, dass sehr schnell und flexibel auf die Notsituation reagiert werden kann, da die parlamentarische Zustimmung zu den Beschlüssen nicht abgewartet werden muss. Mehr zur horizontalen Gewaltenteilung erfahrt ihr hier. Worin unterscheidet sich davon nun die besondere Lage?

Im Epidemiengesetz (Kap. 1, Art. 6) ist die Machtbefugnis des Bundesrates klar formuliert: Er darf Massnahmen gegenüber einzelnen Personen sowie der Bevölkerung anordnen; Ärzte, Ärztinnen und weitere Gesundheitsfachpersonen zur Krankheitsbekämpfung verpflichten; Impfungen bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, besonders exponierten Personen und Personen mit bestimmten Tätigkeiten für obligatorisch erklären. Der entscheidende Unterschied zur ausserordentlichen Lage besteht darin, dass erst nach Anhörung der Kantone solche Massnahmen beschlossen werden können.

Am 29. Juni haben sich Bundesrat Berset und Vertreter_innen der Kantone zu einer Sitzung getroffen und über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen gemäss des Epidemiengesetzes diskutiert. Einige Kantone (z.B. Bern, Tessin und Genf) fassten ein Maskenobligatorium im öffentlichen Verkehr ins Auge, während sich andere Kantone (z.B. Zürich) klar gegen solche Massnahmen aussprachen. Da durch die besondere Lage jeder einzelne Kanton in der Pflicht steht, Massnahmen gegen die steigende Neuinfektionenzahl zu erlassen, drohte bezüglich der Maskenpflicht ein kantonaler Flickenteppich zu entstehen – vergleichbar mit den unterschiedlichen Schulabschlusslösungen. Der Bundesrat griff ein und liess zwei Tage nach der Sitzung das allgemeingültige Maskenobligatorium verlauten. Ein Tag danach, am 2. Juli, wurde die Covid-19-Verordnung besondere Lage (2. Abschn., Art. 3a) dahingehend geändert, dass Personen ab 12 Jahren einer Maskenpflicht im ÖV unterliegen. Die Änderung ist notwendig, da die Zuständigkeit der Kantone durch eben diese Verordnung begrenzt wird (1. Abschn., Art. 2).

Aufstieg der unbeliebten Maske

Die Diskussion bezüglich der Schutzfunktion der Gesichtsmaske wurde in der Schweiz sehr intensiv geführt. Selbst die Wissenschaft war sich in diesem Thema nicht einig. Von Krisen-Beginn an gab es Stimmen, die sich für den Gebrauch von Mund-Nasen-Schutz in der breiten Öffentlichkeit aussprachen.

Als am 16. März die ausserordentliche Lage ausgerufen wurde, verkündete das BAG, dass die Schutzmaske für die allgemeine Bevölkerung nur wenig Wirkung hätte. Die Mund-Nasen-Bedeckung sollte ausschliesslich von den Erkrankten und Mitarbeitenden im Gesundheitswesen genutzt werden – da sie ein knappes Gut seien. Vier Tage später, am 20. März, wurde die Armeeapotheke mit der Beschaffung von Gesichtsmasken für das Gesundheitswesen betraut. Der Bundesrat erteilte der Armee den Sonderauftrag, 550 Millionen Hygienemasken zu kaufen.

Einen Monat nachdem die ausserordentliche Lage ausgerufen wurde, kündete Alain Berset am 16. April die ersten Lockerungspläne an. In spezifischen Fällen wurde dabei ein Mund-Nasen-Schutz-Obligatorium beschlossen. So konnte man sich beispielsweise die Haare nur mit bedecktem Mund und Nase schneiden lassen. Die anfängliche Haltung, dass die Maske nicht von der ganzen Bevölkerung getragen werden sollte, wurde so nochmals hervorgehoben. Verhinderte die Knappheit zu jenem Zeitpunkt eine allfällige Schutzpflichteinführung?

Als der öffentliche Verkehr ihren durch Corona eingeschränkten Fahrplan wieder ausbaute, kommunizierte der Bundesrat anstelle einer Tragepflicht eine Trageempfehlung. Zeitgleich mit der Rückstufung zur besonderen Lage gab Alain Berset am 19. Juni bekannt, dass bei Demonstrationen eine Maskenpflicht eingeführt werde. Zudem seien von nun an die Kantone für ein Mund-Nasen-Schutz-Obligatorium zuständig. Schliesslich konnten sich die Kantone weder  einigen, noch eine Zusammenarbeit vorweisen, sodass sich der Bundesrat zum Eingreifen gezwungen sah.

In der Schweiz stehen wir im Unterschied zu unseren Nachbarländern am Anfang der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr. Wie lange diese beschlossene Massnahme Bestand haben wird, hängt vom weiteren Verlauf der Neuinfektionen ab. Die Kantone können zudem striktere Massnahmen beschliessen, wie es zum Teil bereits geschehen ist. So hat beispielsweise der Kanton Jura eine Maskenpflicht beim Einkaufen eingeführt.

Der Umgang mit der Maskenknappheit

Die Maskenknappheit stellte eine grosse Herausforderung dar. So schnell wie möglich musste die Schweizer Armee den Millionen-Auftrag des Bundesrates ausführen. Dank der enorm grossen Beschaffungsaktion ist die Schweiz mittlerweile mit mehr als genügend Schutzmasken ausgerüstet. Der Bund und der Kanton Zürich wollte sich aber nicht nur auf den Import verlassen, sondern kauften im März für je 800’000 Franken zwei Schutzmasken-Produktionsmaschinen. Geplant war, dass diese bereits im April anlaufen sollten. Es kam jedoch zu monatelangen Verzögerungen. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass das eingereichte Muster die Zertifizierung, durchgeführt durch die TÜV Nord, zur Pandemiemaske (CPA) nicht bestanden hat und die Herstellung somit noch nicht beginnen kann.

Welche Masken empfiehlt das BAG?

Da wir nun alle mit Schutzmasken ausgerüstet die öffentlichen Verkehrsmittel besteigen müssen, ist es wichtig, dass wir die geforderten Modelle tragen. Das BAG empfiehlt Hygienemasken (chirurgische und OP-Masken), sowie FFP2/3-Masken. Doch ein Problem stellt die teilweise unzureichende Qualität der Masken dar. Aus diesem Grund hat die COVID-19 Science Task Force klare Anforderungen an ein Produkt definiert. Beim Kauf sollte deshalb darauf geachtet werden, dass der Verkäufer einen Prüfbericht vorweisen kann. Liegt keiner vor, so ist der nötige Schutz nicht garantiert und man sollte vom Kauf absehen.

Und auch wenn kreative Fähigkeiten und ein gutes Nachhaltigkeits-Bewusstsein vorhanden sind: selbstgenähte Stoffmasken bieten laut BAG falschen Schutz, da nur die richtige Qualität schütze. Wie lange wir uns mit der Maskenpflicht konfrontiert sehen werden, wird wohl von unser aller Verhalten abhängig sein. Auf der BAG-Corona Website gibt es viele Erklärvideos, wie die korrekte Handhabung mit den unterschiedlichen Masken auszusehen hat. Also: Informiert euch!

Erstellt von Manuel Bucher