20. Oktober 2025
Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)»
Im November stimmen wir über eine Initiative der JUSO, SP und Grünen ab, die Erbschaften und Schenkungen besteuern will, um mit den Steuereinnahmen mehr Klimapolitik zu finanzieren. Worum es bei der Initiative genau geht und was die wichtigsten Argumente sind, lest ihr hier.
Dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral sein muss, hat die Schweizer Stimmbevölkerung vor über zwei Jahren am 18. Juni 2023 entschieden, als sie das Klima- und Innovationsgesetz angenommen hat. In diesem Gesetz steht, dass die Schweiz den Verbrauch von Erdöl und Erdgas möglichst weit reduzieren soll. Die Treibhausgas-Emissionen, die sich nicht auf null senken lassen, sollen stattdessen kompensiert werden, indem beispielsweise CO2 aus der Atmosphäre herausgefiltert wird. Das nennt man «netto null».
Dieses Klimaziel zu erreichen, ist teuer. Beispielsweise erhalten Hauseigentümer:innen Subventionen, wenn sie ihre Öl- oder Gasheizung durch ein umweltfreundliches Heizsystem ersetzen. Kantone und Gemeinden müssen Massnahmen ergreifen, um Mensch und Natur vor den Folgen des Klimawandels zu schützen – etwa indem in Städten Bäume gepflanzt werden oder Gebiete gegen Erdrutsche und Hochwasser gesichert werden. Auch Unternehmen, die in innovative Technologien investieren, werden finanziell unterstützt.
Der Bund hat für solche Massnahmen aktuell etwa 2 Milliarden Franken pro Jahr zur Verfügung. Das Geld stammt vor allem aus Abgaben auf Brenn- und Treibstoff – etwa auf Benzin – und auf Strom. Die Initiative will, dass diese Ausgaben erhöht werden. Und sie will das über eine Steuer auf Erbschaften und Schenkungen finanzieren.
Erbschafts- und Schenkungssteuern in der Schweiz
Erbschaftssteuern muss man dann bezahlen, wenn man von einer verstorbenen Person Vermögen erbt – sei dies Geld, Immobilien, Aktien, ein Unternehmen oder Wertgegenstände. Sie werden in der Schweiz durch die Kantone erhoben. Bis auf die Kantone Obwalden und Schwyz gibt es in allen Kantonen eine Erbschaftssteuer. Gemeinsam haben sie alle, dass nahe Verwandte kaum Erbschaftssteuern bezahlen. Während Ehegatten in keinem Kanton Steuern auf das Erbvermögen bezahlen, bezahlen Kinder nur in Appenzell Innerrhoden, Luzern, Neuenburg und der Waadt Erbschaftssteuer und auch dann jeweils einen geringen Prozentbetrag.
Erb:innen, die weiter entfernt oder gar nicht verwandt sind, bezahlen meist eine höhere Steuer. Diese ist oft progressiv ausgestaltet. Das bedeutet, dass ein kleines Vermögen mit einem tiefen Steuersatz besteuert wird – beispielsweise 5 % oder 10 % –, ein grosses Vermögen hingegen mit einem hohen Steuersatz – in einigen Kantonen sogar mit 40 % oder mehr. Ausserdem gibt es in vielen Kantonen Freibeträge, auf die man gar keine Erbschaftssteuer bezahlt.
Damit man die Erbschaftssteuer nicht umgehen kann, indem man sein gesamtes Vermögen vor dem Tod verschenkt, gibt es in vielen Kantonen auch eine Schenkungssteuer. Das bedeutet, dass beispielsweise Geldbeträge ab einer bestimmten Höhe, Grundeigentum oder Wertgegenstände auch dann versteuert werden müssen, wenn man sie geschenkt erhält anstatt sie zu erben. Ähnlich wie Erbschaftssteuern sind auch Schenkungen zwischen nahen Verwandten oder bei tiefem Wert steuerfrei.
Die Schweiz ist mit diesen Regelungen kein Ausnahmefall. Die meisten europäischen Länder kennen eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die oftmals progressiv ausgestaltet ist und je nach Verwandtschaftsgrad gewisse Freibeträge aufweisen.
Worüber wir am 30. November abstimmen
Die «Initiative für eine Zukunft» bringt diese beiden Elemente – die Schweizer Klimaziele und die Erbschafts- und Schenkungssteuern – zusammen. Sie möchte, dass der Bund künftig eine Steuer von 50 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen erhebt, wobei die ersten 50 Millionen Franken steuerfrei sein sollen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt, dass in der Schweiz etwa 2’500 Steuerpflichtige ein Vermögen von über 50 Millionen Franken haben. Die neue Steuer würde folglich nur für sie gelten.
Zwei Drittel dieser Einnahmen soll der Bund dann behalten, ein Drittel sollen die Kantone erhalten. Beide sollen das Geld zur «sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise» sowie für den «dafür nötigen Umbau der Gesamtwirtschaft» ausgeben. Wofür das Geld konkret ausgegeben wird, überlässt die Initiative dem Bund und den Kantonen.
Die Initiative will ausserdem, dass es keine Steuerbefreiung mehr gibt – weder für Nachkommen noch für Ehegatten. Das soll auch gelten, wenn das Vermögen in einem Unternehmen gebunden ist, das der oder die Verstorbene besessen hat. Bei Annahme der Initiative sollen die neuen Steuern sofort in Kraft treten.
Bundesrat und Parlament empfehlen, die Initiative abzulehnen (Nationalrat: 132 Nein-Stimmen, 57 Ja-Stimmen, 8 Enthaltungen; Ständerat: 36 Nein-Stimmen, 7 Ja-Stimmen, 0 Enthaltungen).
Angenommen, du erbst (in der aktuellen Gesetzeslage) von deinem Vater aus dem Kanton Bern 100’000 Franken. Da Kinder im Kanton Bern keine Erbschaftssteuer bezahlen – egal für welchen Betrag –, kannst du die ganzen 100’000 Franken behalten. Das gilt auch, wenn dein Vater dir 100 Millionen Franken vererbt.
Nun erbst du von deiner Cousine aus dem Kanton Bern 100’000 Franken. Da im Kanton Bern nur Erbe an Ehegatten und Kinder steuerfrei sind, musst du dieses Erbe versteuern. Im Kanton Bern hast du einen Freibetrag von 12’000 Franken, was bedeutet, dass du auf die ersten 12’000 Franken keine Steuern bezahlst; auf die restlichen 88’000 Franken hingegen schon. In dem Fall betragen deine Steuern etwa 14’000 Franken oder knapp 16 Prozent.
Wenn du von deiner Cousine aus dem Kanton Bern hingegen 100 Millionen Franken erbst, bezahlst du auf dem Freibetrag von 12’000 CHF weiterhin keine Steuern, auf den Rest des Erbvermögens aber schon. Mit dem progressiven Steuersystem musst du insgesamt 39.9 Millionen Franken, also fast 40 Prozent Steuern bezahlen.
Bei Annahme der Initiative, würde sich bei den Erbschaften von 100’000 Franken nichts ändern – weder vom Vater noch von der Cousine, denn sie liegen unter dem neuen Freibetrag von 50 Millionen Franken.
Bei einem Erbvermögen von 100 Millionen Franken würde die neue Steuer hingegen greifen – egal, ob man das Geld vom Vater oder von der Cousine erbt. Die ersten 50 Millionen Franken wären steuerfrei, auf den zweiten 50 Millionen Franken würdest du 50 Prozent Steuern bezahlen. Insgesamt bedeutet das also Steuern von 25 Millionen Franken.
Das sagen die Befürwortenden
Das Initiativkomitee besteht aus Politiker:innen der JUSO, SP und Grünen. Sie finden, dass die Schweiz aktuell nicht genug für das Klima macht und dass nicht genügend Geld zur Bewältigung der Klimakrise zur Verfügung steht. Mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer wollen sie über einen sozial gerechten Weg mehr Geld für den Klimaschutz zusammentragen, denn diese Steuer würden nur die 2’500 Reichsten in der Schweiz bezahlen – oder 0.05 % aller Steuerzahlenden. Dies sei besonders vor dem Hintergrund relevant, dass sich das Vermögen der 300 Reichsten in der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt hat, dass das Vermögen der breiten Bevölkerung aber stagniert.
Ausserdem argumentieren sie, dass vermögende Personen einen höheren CO2-Ausstoss haben und dieser weiter ansteigt, während der CO2-Ausstoss in den tieferen Einkommensklassen in den letzten Jahrzehnten sogar gesunken sei. Deshalb finden sie es fair, wenn reiche Personen mehr Geld für den Klimaschutz bezahlen müssen, da sie auch mehr zur Verursachung der Klimakrise beitragen.
Das sagen die Gegner:innen
Auch die Gegner:innen der Vorlage teilen das Ziel, das Klima zu schützen und die Emissionen der Schweiz bis 2050 auf netto null zu senken. Sie finden aber, dass der Bund und die Kantone schon heute genug für das Klima tun, dass genügend Geld zur Verfügung gestellt wird und dass die Schweiz gute Gesetze geschaffen hat, um umweltfreundlicher zu werden. Deshalb halten sie die Erbschaftssteuer für den falschen Weg, um die Klimaziele zu erreichen.
Ausserdem fürchten sie, dass die Schweiz durch die neue Steuer für vermögende Personen unattraktiv wird. Diejenigen, die von der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer betroffen wären, könnten die Schweiz sogar verlassen und wegziehen. Dadurch würden nicht nur die Steuern wegfallen, die diese Personen aktuell bezahlen, sondern auch Unternehmen, die ihnen gehören. Dadurch könnten Bund, Kantone und Gemeinden unter dem Strich sogar weniger Geld einnehmen als bisher und Menschen könnten ihre Arbeitsplätze in den weggezogenen Firmen verlieren.
Wie viele Einnahmen die Schweiz mit der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuern erzielen würde, ist nicht so leicht auszurechnen. Das Initiativkomitee geht davon aus, dass der Bund mit den neuen Steuern rund 6 Milliarden Franken pro Jahr mehr einnehmen würde.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) schätzt, dass das ein bisschen hoch ist. Sie gehen davon aus, dass jährlich theoretisch 4.3 Milliarden Franken erzielt werden können. Das gilt jedoch nur, wenn die Vermögenden von den Steuern nicht abgeschreckt werden und wegziehen.
Die ESTV geht nämlich davon aus, dass Vermögende die Schweiz bei Einführung der Steuer verlassen könnten. Dann würden die Vermögenden nicht nur im Fall eines Erbes keine Steuern mehr bezahlen, sondern auch die Einkommens- und Vermögenssteuer während ihres Lebens würde verloren gehen. Die ESTV rechnet deshalb damit, dass durch die Initiative sogar zwischen 200 Millionen und 3.6 Milliarden Franken weniger Einnahmen generiert werden könnten.
Und was ist deine Meinung?
Bringt die vorgeschlagene Schenkungs- und Erbschaftssteuer mehr Einnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise? Oder würden die Vermögenden die Schweiz verlassen und es würden dadurch sogar Einnahmen verlorengehen? Und am wichtigsten: Wie stimmst du am 30. November ab?
Erstellt von Alina Zumbrunn