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9. Juli 2025

Karriere Diplomatie – die Kunst des Verhandelns

Die Schweiz. La Suisse. La Svizzera. La Svizra. Vielfältig, vernetzt und neutral. Das sind wichtige Schweizer Werte. Bereits in der ersten Bundesverfassung von 1848 steht geschrieben: «…im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, …». Doch wer wahrt die Interessen der Schweiz im Ausland? Was muss man mitbringen und wie sieht der Alltag unserer Vertreter:innen  aus? Dieser Text soll Antworten geben – ganz diplomatisch.

Die Geschichte der Diplomatie

Die Geschichte der Diplomatie geht zurück ins 15. Jahrhundert, der Zeit der alten Eidgenossenschaft. Damals hatte die «Diplomatie» wenig Achtung. Es wurden lediglich sogenannte Tagsatzungen gehalten. Das sind Sitzungen, in denen beispielsweise über Allianzen und Bündnisse verhandelt wurde. Gesandte aus dem Ausland residierten über längere Zeit in der Schweiz und nahmen an den Versammlungen teil. Die Schweiz hingegen schickte nur selten Vertreter ins Ausland.

1798 war das Zeitalter der Helvetischen Republik und damit einher ging die Gründung des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Nur wenige Tage später ernannte die Republik den ersten Diplomaten Peter Josef Zeltner. Zeltner wurde nach Paris gesandt. Dort war er als bevollmächtiger Minister tätig. Künftig fiel die Diplomatie in den Kompetenzbereich des Landammanns der Schweiz. Die Neutralität der Schweiz wurde von den Grossmächten anerkannt, führte aber dazu, dass die Tagsatzungen und Kantone keine selbständige Aussenpolitik verfolgen konnten. Vielmehr waren es Leute aus der Wirtschaft, welche die Schweiz im Ausland vertraten. Man sah vom Aufbau der Diplomatie ab, gerade weil es ein Kennzeichen des Acien Régimes war. Schon damals hatte es mit Misstrauen zu kämpfen.

Der nächste Meilenstein geschah 1848. Kurz nach der Gründung des Bundesstaats wurde das Eidgenössische Politische Departement ins Leben gerufen. Es wurde immer weiter ausgebaut, wenn auch aufgrund des Druckes von aussen. Berufsdiplomaten wurden als notwendig betrachtet. Denn nur so blieb die Schweiz vorne mit dabei und konnte das Weltgeschehen mitsteuern. 1896 erhielt das zuständige Departement den noch heute geltenden Namen «Eidgenössisches Departement des Auswärtigen (EDA)». Die Diplomatie wurde weiter ausgebaut, es gab sogenannte Minister und die Schweiz verhalf in politischen Spannungen zum Frieden. 1963 wurden alle «Gesandtschaften» in «Botschaften» umgewandelt. So gingen nicht mehr «Minister» ein und aus, sondern «Botschafter». Das System wurde insgesamt professioneller gestaltet.

Besonders der erste Weltkrieg war ein Treiber für den Aufbau von Botschaften. Nach dem ersten Weltkrieg wurde der Fokus auf den Wiederaufbau und die Neuordnung der weltpolitischen Lage gesetzt. Für die Staaten war es attraktiv, gute Handelsbeziehungen einzugehen und eine politische Stabilität zu schaffen. Der Beruf stand nicht mehr nur noch den Eliten zu. Ab 1955 mussten die Mitglieder des diplomatischen Dienstes einen Wettbewerb für die Zulassung auf sich nehmen. Fähigkeiten wurden trainiert und geprüft, um das Beste aus den Verhandlungen herauszuholen. Das Ziel schien klar: Politische Stabilität schaffen, auch um die Entwicklung weiterer Kriege in Zukunft zu vermeiden. Langsam aber sicher entwickelte sich die Diplomatie zu jener, die wir auch heute kennen.

Schweizer Botschaften im Ausland

Die Schweiz hat viele Vertretungen im Ausland, besonders in Europa. Eine Liste findest du hier: Liste Schweizer Vertretungen im Ausland

Der Alltag der Diplomat:innen

“Ein:e Diplomat:in ist jemand, der zweimal überlegt bevor er nichts sagt.” Dieses Zitat stammt von einem amerikanischen Autor. Diplomatinnen und Diplomaten vertreten zum einen die Interessen ihres eigenen Landes im Gastland. Die andere Aufgabe besteht darin, Konflikte zu lösen oder Meinungsverschiedenheiten zu vermitteln. Es dürfen keine neuen Konflikte entstehen. Mit dem Beglaubigungsschreiben wird der Staatschef gebeten, den Äusserungen vom Vertreter im Namen seiner Regierung Glauben zu schenken. Sie halten also oft Reden oder organisieren Veranstaltungen. Ebenfalls ist es Aufgabe eines Diplomats Berichterstattungen und Analysen über politische, wirtschaftliche oder soziale Entwicklungen im Gastland zu erstellen. Diese gelangen dann zum Departement für auswärtige Angelegenheiten und bieten Grundlagen für aussenpolitische Entscheide. Auch sind es Aufgaben wie die Ausstellung von Visa, Pässen oder die Unterstützung von Schweizer Staatsbürgern im Ausland.

Es gibt die bilaterale und multilaterale Diplomatie. Bilateral – wie der Name sagt – findet zwischen zwei Ländern statt. Bei letzterem gehen mehrere Staat in eine Beziehung. Oftmals als Institution wie die Europäische Union es ist. Und dabei gehen Diplomat:innen in die Verhandlung. Bei Vertragsabschlüssen treten sie aktiv für die Interessen des eigenen Landes ein. Auch da ist eine enge Zusammenarbeit mit der Schweizer Regierung erforderlich.

Die Arbeitszeiten und Arbeitsformen sind sehr unregelmässig. Je nach Dringlichkeit müssen Aufgaben noch am gleichen Tag erledigt werden oder es sind spontan Reisen in ein anderes Land notwendig. Es ist wichtig, die richtigen Worte zu finden und mit Leuten in Verbindung zu treten, ohne zu viel zu sagen.

Ein Königsweg sondergleichen

Du möchtest Diplomat:in werden? Der Weg in die Diplomatie ist anspruchsvoll. In der Schweiz unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Profilen, die sich am Alter orientieren.

Profil I – Höchstalter 30 Jahre

Bild: SRF – Die jungen Diplomaten

Die Rekrutierung für alle Personen bis zum 30. Lebensjahr erfolgt über den Concours. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss (mind. Bachelor- und Masterabschluss). Die Fachrichtung spielt hierbei keine Rolle. Zudem muss eine Arbeitserfahrung von mindestens einem Jahr vorgewiesen werden können. Eine Auslandserfahrung von mindestens sechs Monaten ist erwünscht. Sprachlich wird das Niveau C1 in zwei Amtssprachen sowie im Englischen angefordert. Des Weiteren muss man Schweizer Staatsbürger:in sein und darf keinen Straftaten schuldig sein (unbescholtener Leumund). 

Concours (Deutsch: Wettbewerb) ist ein mehrstufiges Selektionsverfahren. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt Stellen für die Karriere Diplomatie aus. Interessierte können sich gemäss den Anforderungen (siehe oben) bewerben. Es folgen verschiedene Prüfungen im Bereich Geschichte, Kultur, Staatskunde, Politik und Wirtschaft. Eine gute Vorbereitung ist essenziell. Besteht man diese Prüfungen, darf eine 15-monatige Ausbildung absolvieren. Erst nach Abschluss dieser Ausbildung entscheidet das EDA über eine unbefristete Anstellung als Diplomat:in.

Profil II – ab 31 Jahren

Diese werden individuell und je nach Fach- und Personalbedarf des Departements intern und/oder extern rekrutiert. Voraussetzung ist ebenfalls ein Hochschulabschluss (min. Bachelor- und Masterabschluss). Die Fachrichtung des Studiums und die Arbeitserfahrung orientieren sich an der ausgeschriebenen Stelle. Sprachlich wird das Niveau C1 in zwei Amtssprachen sowie im Englischen angefordert. Des Weiteren muss man Schweizer Staatsbürger:in sein und darf keinen Straftaten schuldig sein (unbescholtener Leumund)

Bild: EDA – Schweizerische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland

Das macht eine:n Diplomat:in aus

Nicht jede:r ist gemacht für diesen Weg, der nicht immer leicht ist. Zum einen sind es hohe formelle Anforderungen, die gestellt werden. Zum anderen sind es gewisse Eigenschaften, die eine:n Diplomat:in auszeichnen. Das EDA listet folgende auf:

  • Ausgezeichnete Kenntnisse der Schweizer Politik
  • Hohes Mass an Offenheit, Lernbereitschaft, Eigeninitiative sowie interdisziplinärem und unternehmerischem Denken und Handeln
  • Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Belastbarkeit
  • Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, emotionale Intelligenz, interkulturelle Sensibilität und Sozialkompetenz
  • Kritisches Denken und Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen und die Werte und Interessen der Schweiz unabhängig von der persönlichen Meinung zu vertreten
  • Bereitschaft zur regelmässigen Versetzung an neue Einsatzorte des Schweizer Vertretungsnetzes, auch in schwierige Kontexte (Einhalten der Versetzungspflicht)
Bild: SRF – Kann die Schweiz heute Krise, Thomas Borer?

Thomas Borer – Porträt eines bekannten Diplomaten

Dr. Thomas Borer ist 1957 in Basel zur Welt gekommen. Er studierte Rechtswissenschaften, doktorierte und stieg früh in die Diplomatie ein. 1996 wurde Borer zum Leiter der «Task Force Schweiz – Zweiter Weltkrieg» ernannt, mit dem inoffiziellen Namen «Borer-Kommission». Der internationale Druck auf die Schweiz wegen mutmasslich blockierter jüdischer Vermögen in Schweizer Banken während und nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte Mitte der 1990er-Jahre einen Höhepunkt (nachrichtenlose Vermögen). Der Bundesrat setzte eine Taskforce ein, um das Schweizer Verhalten historisch und rechtlich aufzuarbeiten. 1999 wurde die Task-Force aufgelöst und Borer war als Botschafter in Deutschland tätig.

Die Frage, ob die Schweiz heute Krisen bewältigen kann, beantwortet Thomas Borer im Interview mit SRF vom Mai 2025 mit: «Da bin ich noch nicht so sicher. Wir haben das Problem, dass wir sieben gleichberechtigte Bundesräte haben. Wenn es brennt, rennen alle gleichzeitig zum Feuer, diskutieren, wie man es löschen könnte, und wenn sie zu einer Entscheidung kommen, ist das Haus bereits abgebrannt.» Noch heute ist er ein gefragter Experte in internationalen Konflikten.

Das Diplomatische Corps

Es sind rund 170 Länder, die eine:n Botschafter:in in der Schweiz bevollmächtigt haben.  Ein Viertel dieser Vertreter sind in Genf, die Hälfte ist in Bern und die restlichen sind anderweitig «sesshaft».

Die Gemeinschaft aller Mitglieder des in einen Staat entsandten diplomatischen Personals bezeichnet man als das Diplomatische Corps. Dessen Führung übernimmt der Doyen. Hierzulande ist es der Nuntius, der Vertreter des Heiligen Stuhls. Der aktuelle Doyen ist Erzbischof Martin Krebs. Er wurde 2021 von Papst Franziskus ernannt. Traditionsgemäss überbringt der Doyen Anfang des Jahres dem Bundesrat Glückwünsche und umgekehrt.

Zwei Fakten zur Schweizer Diplomatie

In der Schweiz beginnen die Nummernschilder der Diplomat:innen mit «CD». Diese Abkürzung bedeutet soviel wie «Corps Diplomatique» und steht jeweils vor dem Kantonskürzel. Profil II – ab 31 Jahren

Bild: Die Schweizerische Eidgenossenschaft – ABC der Diplomatie

Der «Alpenrosenfrack» war die Uniform der Schweizer Diplomaten. Die Stickerei besteht aus Alpenrosen und Edelweissen. Sie wurde bis ins 20. Jahrhundert getragen, jedoch nur im Ausland. Im Inland verzichtete man darauf. Es lässt sich vermuten, dass dies aufgrund der Skepsis gegenüber der Diplomatie so gehandhabt wurde.

Jacques Pitteloud, ein ehemaliger Diplomat, sagte: «Diplomaten müssen oft viel reden, ohne viel zu sagen.» Es ist eine Gratwanderung. Es ist die Kunst des Verhandelns, die richtigen Worte zu finden und still zu sein, in Momenten, in denen man etwas sagen möchte. Das Ziel ist es einen Konsens zu finden. Die Schweiz. La Suisse. La Svizzera. La Svizra. Vielfältig, vernetzt und neutral. Getragen durch Vertreterinnen und Vertreter im Ausland.

Hier gehts zur fünfteiliegen Dokumentation von SRF zum Thema: Wie wird man Botschafter?

Willst du mehr über die Schweizer Politik erfahren? Du findest unzählige weitere Blogs zu Themen rund um Demokratie, aktuelle Abstimmungsvorlagen und die Schweizer Politiklandschaft! 

Bei Discuss it schreiben wir aber nicht nur Blogs, wir setzen uns aktiv für die politische Bildung von jungen Menschen ein und organisieren dazu Podiumsdiskussionen zwischen Politiker:innen und Jugendlichen. Dazu zählen wir auf das Engagement von vielen jungen Freiwilligen. 

Auf unserer Website findest du weitere Informationen.

Erstellt von Yael Länzlinger