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16. Dezember 2025

Die Schweiz und die Gleichstellung der Geschlechter – einfach erklärt

Die Gleichstellung der Geschlechter ist für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung von grundlegender Bedeutung. Wie beurteilt die Bevölkerung die Situation in der Schweiz?
Eine nationale Umfrage gibt Aufschluss über die Wahrnehmung der Bevölkerung.

Warum reden wir überhaupt darüber?

Gleichstellung klingt vielleicht nach einem grossen Politikthema, aber eigentlich betrifft es sicher auch Situationen in deinem Alltag: Wie werden die Hausarbeiten innerhalb einer Familie verteilt? Werden Mädchen und Jungen in der Schule gleich behandelt, und haben alle die gleichen Chancen auf eine Lehrstelle? Erhalten Frauen und Männer später den gleichen Lohn? Die Schweiz hat klare Regeln in diesem Bereich, aber die Realität zeigt, dass noch viel zu tun bleibt.

Was bedeutet Gleichstellung eigentlich?

Geschlechtergleichstellung und Gleichstellung der Geschlechter werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym verwendet, haben aber nicht genau dieselbe Bedeutung. In den nächsten Abschnitten werden die Unterschiede erläutert, aber der Einfachheit halber werden sie dann als Synonyme verwendet.

Geschlechtergleichstellung wird definiert als: «numerisches und substanzielles Konzept im Zusammenhang mit der Geschlechtergleichstellung, das oft als Verhältnis von weiblichen zu männlichen Werten für einen gegebenen Indikator berechnet wird. (…) insofern sie sich auf den gleichberechtigten Beitrag von Frauen und Männern zu jeder Lebensdimension, privat und öffentlich, bezieht». (Quelle: European Institute for Gender Equality)

Ein bisschen einfacher ausgedrückt: Mit numerischer Dimension ist die Anzahl der Frauen und Männer in einem bestimmten Kontext gemeint (zum Beispiel: Wie viele Mädchen gibt es in einer Klasse im Vergleich zu Jungen? Wie viele Frauen sitzen in Chefpositionen?). Mit substanzieller Dimension ist hingegen gemeint, dass Frauen den gleichen Wert und die gleichen Teilhabemöglichkeiten wie Männer haben (um das Beispiel der Klasse wieder aufzunehmen: Mädchen müssen sich frei äussern können und die gleiche Aufmerksamkeit wie Jungen erhalten). 

Kurz gesagt: Wie ausgewogen ist das Verhältnis zwischen Frauen und Männern?



Die Gleichstellung der Geschlechter wird hingegen definiert als: «gleiche Rechte, Pflichten und Chancen von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen. (…) Gleichstellung von Frauen und Männern wird als Menschenrechtsfrage wie auch als Vorbedingung und Indikator für eine am Menschen orientierte nachhaltige Entwicklung und Demokratie betrachtet.» (Quelle: European Institute for Gender Equality) Man könnte auch sagen: Alle – egal ob Frau, Mann – haben die gleichen Rechte und Chancen. Es geht also um die Grundidee und betrifft alle Lebensbereiche: Schule, Familie, Politik, Arbeit, Freizeit und Alltag.



Was sagt die Schweizer Verfassung?

Die Schweizer Verfassung verankert die Gleichstellung von Frau und Mann in Artikel 8 Absatz 3

  • «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit». (Quelle: Fedlex

In Absatz 2 geht es um Diskriminierung:

  • «Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, …». (Quelle: Fedlex)

Darüber hinaus gibt es das Gleichstellungsgesetz (GIG), das 1996 in Kraft getreten ist und alle Aspekte des Berufslebens regelt, wie beispielsweise das Diskriminierungsverbot bei Schwangerschaft, den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder die Überprüfung der Lohngleichheit.

Was zeigt die aktuelle Situation in der Schweiz? Ergebnisse des Nationalen Barometers zur Gleichstellung 2024

Viele Frauen und Männer in der Schweiz sehen Gleichstellung unterschiedlich, und vor allem in der Generation Z (also junge Menschen) sind sich die Geschlechter nicht einig. 

Was fällt besonders auf?

  • 86 % der jungen Frauen der Generation Z sind der Meinung, dass Lohngleichheit noch nicht erreicht ist.
  • 47 % der jungen Männer der Generation Z teilen diese Meinung.

Die vier wichtigsten Bereiche, in denen laut mehr als 50 % der Befragten keine Gleichstellung erreicht wurde, sind: 

  • Lohngleichheit
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • Karrieremöglichkeiten
  • Aufteilung der Hausarbeit. 

Diese vier Bereiche sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn jemand zu Hause mehr macht, bleibt weniger Zeit für Job oder Weiterbildung, was dann wiederum Karrieren beeinflusst. Deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung zeigen sich bei der Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen oder bei der Betreuung kranker Kinder

In einem Punkt herrscht hingegen Einigkeit: Sexuelle Belästigung ist ein wichtiges und ernst zu nehmendes Thema. Da sind sich neben den Geschlechtern auch die Generationen einig. 

Zusammenfassend lässt sich sagen: Frauen beurteilen die Gleichstellung in der Schweiz kritischer als Männer, insbesondere in der Generation Z. Es gibt grosse Unterschiede in den Erfahrungen mit Diskriminierung sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld, während beim Thema sexuelle Belästigung weitgehend Einigkeit herrscht. (Quelle: Nationales Barometer zur Gleichstellung)

Und: Viele der Befragten geben an, mit der Aufteilung der Haus- und Familienarbeit in ihrem persönlichen Leben eher zufrieden zu sein.

Was unternimmt die Schweiz? Die Gleichstellungsstrategie 2030

Insgesamt handelt es sich um 332 Massnahmen, die dank der Zusammenarbeit des Bundesrats, der Bundesämter und ihrer Dienststellen sowie der Bundeskanzlei, aber auch der Kantone und Gemeinden umgesetzt werden. Es gibt vier Hauptaktionsbereiche (Quelle: Gleichstellungsstrategie 2030):

  • Berufs- und öffentliches Leben
  • Vereinbarkeit und Familie
  • Geschlechtsspezifische Gewalt
  • Diskriminierung 

Warum die Gleichstellung der Geschlechter wichtig ist

Frauen machen die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Es ist also eigentlich ganz einfach: Die Gesellschaft funktioniert besser, wenn alle ihr Potenzial ausschöpfen können. Gleichstellung sorgt dafür, dass niemand wegen eines Merkmals ausgebremst wird – weder Mädchen noch Jungen. Gleichstellung bringt also mehr Freiheit für alle.

Die Schweiz hat starke Regeln, eine klare Strategie und hat schon vieles erreicht. Gleichzeitig zeigen Daten und Erfahrungen, dass es noch Baustellen gibt. Besonders junge Menschen nehmen die Unterschiede stark wahr. 

Gleichstellung bedeutet nicht, dass alle gleich sein müssen. Es bedeutet, dass alle die gleichen Möglichkeiten haben sollen.

Wer hat die Nationale Barometer zur Gleichstellung in Auftrag gegeben? Im Jahr 2024 gab die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SKG), die sich mit der Entwicklung einer kohärenten und nachhaltigen Gleichstellungspolitik befasst, das Nationale Barometer zur Gleichstellung 2024 in Auftrag, eine Studie zur Analyse der Situation in der Schweiz. Die Ausgabe konzentriert sich auf den Vergleich zwischen den Generationen (Z, Y, X und Babyboomer), mit besonderem Augenmerk auf die GenZ. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber der Hauptgrund geht auf einen Artikel der Financial Times über die politische Gap zwischen den Geschlechtern der GenZ zurück: «A new global gender divide is emerging». Der Artikel zeigt, wie sich junge Menschen in verschiedenen Ländern nach Geschlecht und Ideologie unterscheiden: Junge Frauen sind zunehmend progressiv, während junge Männer zunehmend konservativ sind. (Quelle)

Möchten Sie mehr über Genderforschung erfahren? Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) ist eine unabhängige Einrichtung, die sich für die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Beseitigung von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einsetzt. (European Institute for Gender Equality (EIGE)

  1. Geschlechtergleichstellung und Gleichstellung der Geschlechter sind keine Synonyme.
  2. Frauen beurteilen die Gleichstellung in der Schweiz viel kritischer als Männer
  3. Die Verwirklichung der Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein Schlüsselelement für eine positive Entwicklung der Gesellschaft.

 

 

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Bei Discuss it schreiben wir aber nicht nur Blogs, wir setzen uns aktiv für die politische Bildung von jungen Menschen ein und organisieren dazu Podiumsdiskussionen zwischen Politiker:innen und Jugendlichen. Dazu zählen wir auf das Engagement von vielen jungen Freiwilligen. 

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Erstellt von Gaggini Clelia